Forschungsmöglichkeiten von CED verbessert

By | 18. April 2017

Wie eine Firmengründung aus der Kieler Uniklinik die Forschungsmöglichkeiten von chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen verbessert

Bereits seit Beginn des 19. Jahrhunderts erkranken immer mehr Menschen an Morbus Crohn und Colitis ulcerosa. Aktuell leiden in Deutschland rund 300.000 Menschen unter der Erkrankung. Die zwei Krankheitsbilder werden auch als „chronisch entzündliche Darmerkrankungen“ (CED) betitelt, welche auf einer chronischen Darmschleimhautentzündung basieren. Die Erkrankung kann sich durch häufige und teilweise blutige Durchfälle, Bauchschmerzen und Gewichtsabnahme bemerkbar machen. Man kann die CED in der Regel mit Medikamenten behandeln, welche den entzündlichen Prozess im Darm lindern. Ist die Krankheit sehr ausgeprägt, kann eine Operation, bei der Teile des Darms entfernt werden, oftmals notwendig werden. Dabei sind die Ursachen der Krankheit diffizil. Zum einen spielen Erbfaktoren und Ernährungsgewohnheiten und zum anderen Einflüsse aus der Umwelt eine Rolle.

Wirtschaft und Hochschule ziehen an einem Strang

In den letzten Jahren konnte stets neues Wissen über CED hinzugewonnen werden. Dabei kamen viele Impulse aus Kiel, besonders die eine gelungene Kooperation zwischen der CONARIS Research Institute AG und der 1. Medizinischen Klinik des Universitätsklinikums Schleswig-Holstein (UK-SH), brachten neuartige Forschungsergebnisse. Die inzwischen am Markt etablierte CONARIS AG wurde von Professor Stefan Schreiber (UKSH) gegründet. Deren Geschäftsführer Herr Dr. Dirk Seegert erläutert folgendermaßen die Unternehmensplanung, bzw. Intention:

„Ein Ziel unserer Untersuchungen ist die Identifikation und Charakterisierung CED-spezifischer Gene und ihrer Genprodukte, die sich möglicherweise für die Diagnose, als Ziel einer neuen Therapie oder auch für die Entwicklung von Arzneimitteln verwenden lassen.“

Selbstverständlich bildet dabei die Vermarkung der Ergebnisse einen Teil der Arbeit. Highlight der bisherigen Zusammenarbeit zwischen CONARIS und der Hochschule ist die Identifizierung einer Mutation im CARD15 (NOD2)-Gen, welche in Bezug auf Morbus Crohn eine bedeutsame Rolle spielt. Das Krankheitsverständnis konnte somit im Wesentlichen durch diese genetische Komponente ausgeweitet werden. Die Förderung wichtiger Kieler Projekte im Rahmen des Nationalen Genomforschungsgesetzes und des Kompetenznetzes CED werden durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung durchgeführt.

Die Genregulation erfolgt bei CED anders

In Kiel sind aktuell zwei Forschungsfelder im Fokus: Der Nachweis einer weiteren Mutation (eventuell relevant für den Krankheitsverlauf) und die Frage nach den Auswirkungen einer Aktivierung/Repression von einzelnen Genen, bzw. wie sich die Genexpression bei Gesunden und Erkrankten unterscheidet und welche Prozesssteuerung von diesen Genen ausgeht. Aus bisherigen Analysen geht bereits hervor, dass 500 Gene bei Morbus Crohn und bei Colitis ulcerosa 200 Gene andersartig reguliert sind, als beim Gesunden. Nun gilt es die spezielle Signifikanz der Erbgutteile bei CED herauszustellen. Die bisherige Hypothese lautet:

„Aufgrund einer Überaktivität einzelner Gene werden zu viele Botenstoffe produziert, die den Entzündungsprozess im Darm unterhalten. Die verminderte Aktivität anderer Gene führt dazu, dass der Organismus Eiweiße mit einer Schutzfunktion für die Darmschleimhaut in zu geringer Menge herstellt. Daraus könnte eine erhöhte Empfänglichkeit für Infektionen mit körpereigenen Bakterien resultieren.“

Auf der Suche nach Medikamenten: Biochips

Aufgrund der hervorragenden Kooperation zwischen CONARIS und der Berliner Scienion AG, können die Forschungsergebnisse in Sachen Genexpression bei CED weiterhin erfolgreich genutzt werden. Der BMBF schreibt jedes Jahr einen Biochance Wettbewerb aus, den beide Unternehmen im Jahr 2001 für sich entscheiden konnten. Das ausgezeichnete Projekt beinhaltete die Entwicklung von sogenannten Biochips. Seegert erläutert hierzu wie folgt: „Die Grundlagen für diese Arbeiten bilden eine Reihe von Ergebnissen, die aus Analysen zur Genexpression bei Patienten mit Morbus Crohn und Colitis ulcerosa stammen“. Biochips können sowohl bei der neuen Medikamentensuche, als auch in der Diagnostik als Werkzeuge eingesetzt werden. Das Durchsuchen von umfangreichen Substanzbibliotheken und die Substanzidentifizierung und deren Interaktion mit dem für die Krankheit relevantem Genprodukt, ist durch Biochips möglich. Potenzielle Medikamente könnten gefunden sein.

Es stehen klinische Studien bevor

Ein weiteres CONARIS-Projekt ist bezüglich der klinischen Anwendung bereits weit vorangetrieben. Dabei steht für Seegert und dessen Mitarbeiter das Molekül gp130 im Mittelpunkt. Dieses spielt für den entzündlichen Prozess bei Marbus Crohn eine bedeutsame Rolle. CONARIS hat sich die Rechte an dieser Substanz bereits sichern lassen. Das sogenannte Fusionsprotein ist mit jeweils zwei gp130-Molekülen verknüpft. Bestimmte Botenstoffe können im Blut abgefangen werden und den eigentlichen Krankheitsprozess verhindern. Tierversuche haben den Nutzen bereits belegt. Aufgrund der Tatsache, dass dieser Ansatz im Gegensatz zu den herkömmlichen Medikamenten viel gezielter und mit weniger Nebenwirkungen in den entzündlichen Prozess eingreift, ist laut Seegert von einer besseren Wirksamkeit auszugehen. Es ist nun eine von CONARIS in Auftrag gegebene klinische Studie geplant, um die Effekte auch am Menschen sicherzustellen. Daran sind wieder das Kompetenznetz CED und das UK-SH eng beteiligt. Man möchte den wissenschaftlichen Austausch trotz Umzug des Unternehmens in eigene Laborräume im Jahr 2003 sicherstellen. Gemeinsam mit dem Klinikum, sowie dem CED-Kompetenznetz ist es CONARIS möglich, weitere essentielle Studien umzusetzen.