Ist Morbus Crohn ansteckend?

By | 10. November 2017

Die Ursachenforschung des Morbus Crohn tappt seit Jahren im Dunklen. Familiäre Häufung gab Anlass zur Vermutung, dass neben Umwelteinflüssen genetische Faktoren eine Rolle spielen. Eine aktuelle Veröffentlichung wirft ein neues Licht auf das Vorkommen in Familien: Morbus Crohn wird primär durch Bakterien ausgelöst. Ist die Erkrankung möglicherweise ansteckend?

Speichelproben verursachen in Mäusen entzündliche Darmerkrankungen

Japanische und amerikanische Forscher untersuchten Proben der Mundflora von Patienten mit Morbus Crohn und Colitis ulcerosa. Einige davon führten im Magen-Darm-Trakt keimfrei aufgewachsener Mäuse ohne eigene Darmflora zur Aktivierung von T-Helferzellen. Diese Immunzellen lösten Entzündungen aus, wie sie für Colitis ulcerosa und Morbus Crohn typisch sind. Verursacher waren zwei Bakterienarten: Klebsiella pneumoniae und Klebsiella aeromobilis.

Bakterien der Mundflora können zu Erkrankungen führen

Die Wissenschaftler stellten fest, dass die Darmflora von Morbus Crohn-Patienten wesentlich mehr Klebsiellen enthält als die von Gesunden. Viele Klebsiella-Arten sind normale Bewohner von Mund und Darm. Doch warum lösen sie nur in bestimmten Fällen Morbus Crohn aus? Die Wissenschaftler nehmen an, dass Antibiotika dabei eine Rolle spielen. Denn Mäuse, die zuvor durch die Speichelproben keine entzündlichen Reaktionen zeigten, erkrankten nach vorangegangener Antibiotikagabe.

Bestätigung einer älteren Studie

Diese Ergebnisse passen zu einer früheren Studie. Wissenschaftler aus Cambridge konnten nachweisen, dass bei vielen Morbus Crohn-Patienten die Darmflora gestört ist. In den meisten Fällen hatten die behandelnden Ärzte eine Infektion vermutet und daher eine Antibiotikatherapie vorgenommen.

Die Auswirkungen von Antibiotika auf den Darm

Ein gesunder Magen-Darm-Trakt ist in der Lage, Bakterien, Viren und Pilze in Schach zu halten. Gerät die Mikroflora des Darmes durch Antibiotika durcheinander, nimmt ein Bakterium schnell überhand. Funktioniert die Immunabwehr dann nicht optimal, sind die Abwehrmaßnahmen nicht erfolgreich.
Viele Klebsiellen sind gegen zahlreiche Antibiotika resistent. Penicillin beispielsweise ist für keinen der Stämme ein Problem. Daher überwuchern sie während einer Antibiotikabehandlung die normale Darmflora, die diese nicht so gut verträgt.

Antibiotika plus Klebsiella gleich Morbus Crohn?

Ganz so einfach ist es dann doch nicht. Erst genetische Prädisposition sorgt dafür, dass Klebsiella eine Immunreaktion hervorruft. Das liegt vor allem an der Signalübertragung zwischen T-Helferzellen und den vorgeschalteten dendritischen Zellen. Morbus Crohn ist dann Folge einer gestörten Immunreaktion auf Bakterien, die in dieser Menge im Darm nichts zu suchen haben. Bei entsprechender Prädisposition und Antibiotikabehandlung könnte Morbus Crohn also tatsächlich durch Bakterien übertragen werden.

Quellen:
1. Atarashi K, Suda W, Luo C, Kawaguchi T, Motoo I, Narushima S, Kiguchi Y, Yasuma K, Watanabe E, Tanoue T, Thaiss CA, Sato M, Toyooka K, Said HS, Yamagami H, Rice SA, Gevers D, Johnson RC, Segre JA, Chen K, Kolls JK, Elinav E, Morita H, Xavier RJ, Hattori M, Honda K (2017): Ectopic colonization of oral bacteria in the intestine drives TH1 cell induction and inflammation. Science 358(6361):359-365.
2. Gevers D, Kugathasan S, Denson LA, Vázquez-Baeza Y, Van Treuren W, Ren B, Schwager E, Knights D, Song SJ, Yassour M, Morgan XC, Kostic AD, Luo C, González A, McDonald D, Haberman Y, Walters T, Baker S, Rosh J, Stephens M, Heyman M, Markowitz J, Baldassano R, Griffiths A, Sylvester F, Mack D, Kim S, Crandall W, Hyams J, Huttenhower C, Knight R, Xavier RJ (2014): The treatment-naive microbiome in new-onset Crohn’s disease. Cell Host Microbe 15(3): 382-392.