Regelmäßige körperliche Aktivität gegen CED

By | 19. September 2018

Über die Ursachen der chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen Morbus Crohn und Colitis ulcerosa herrscht immer noch Uneinigkeit. Sicher ist, dass dabei neben genetischen Komponenten Umweltfaktoren eine wichtige Rolle spielen. Forscher aus den USA haben nun Hinweise dafür gefunden, dass regelmäßige körperliche Aktivität die Lebensqualität der Patienten erhöht. Ganz so neu ist das nicht: Schon lange untersucht man den Einfluss von Bewegung und Sport auf chronische Darmerkrankungen – mit teils überraschenden Ergebnissen.

Die aktuelle Studie über den Einfluss von Bewegung auf Darmerkrankungen

Wissenschaftler der Universitäten Eastern Washington und Idaho legten 242 Patienten mit chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen Fragebögen vor, um mehr über deren körperliche Aktivitäten zu erfahren. Bei der Analyse stellte sich heraus, dass leichte körperliche Betätigung mit mehr als 150 Minuten und über eine Stunde Spazierengehen pro Woche die Lebensqualität der Probanden deutlich steigerten. Ihre Ergebnisse veröffentlichten die Forscher im April 2018 [1].

Sport und Morbus Crohn

Schon länger besteht der Verdacht, dass viel Bewegung und frische Luft vor dem Ausbruch von Morbus Crohn schützt. Die ersten Hinweise dazu fand man 1990 bei deutschen Angestellten. Bei Büroangestellten, Frisören und Instrumentenbauern konnte man einen eindeutigen Zusammenhang zwischen gehäuft auftretenden chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen und ihrer eher bewegungsarmen Tätigkeit herstellen – im Gegensatz zu Reinigungskräften, Bauarbeitern oder Sicherheitspersonal [2].

Die Ergebnisse relevanter Studien sind teils widersprüchlich und oft nicht ausreichend belegt. Sicher ist aber, dass körperliche Aktivität Stress abzubauen und die Symptome chronisch-entzündlicher Darmerkrankungen zu lindern vermag. Daher konzentriert sich die Forschung vor allem auf die Untersuchung des Einflusses von Bewegung auf die Bekämpfung von Beschwerden, die bei Morbus Crohn häufig auftreten. Dazu gehören Beeinträchtigungen der Knochendichte, Immunabwehr und des psychischen Wohlbefindens [3].

Gesichert ist die Erkenntnis, dass körperliche Aktivität die Tätigkeit des Magen-Darm-Traktes anregt. Die Zeit bis zur Entleerung des Magens verkürzt sich, es treten seltener Gallensteine und Verstopfungen auf und das Risiko für Kolonkarzinome (nicht für Tumoren von Magen und Enddarm!) halbiert sich [4]. Darüber hinaus fördert Sport die Gesundheit allgemein und trägt zu Stressabbau und psychischem Wohlbefinden bei.

Welchen Einfluss hat Bewegung auf den Magen-Darm-Trakt?

Durch körperliche Aktivität verändert sich der Blutfluss in Magen und Darm, nimmt die Beweglichkeit von Darm und Gallenblase zu und treten Änderungen in der Immunabwehr auf. Abgesehen von vermindertem Darmkrebsrisiko und weniger Verstopfungen nehmen die positiven Effekte jedoch mit steigender Betätigung irgendwann wieder ab und kehren sich sogar ins Gegenteil um [4]. Das liegt daran, dass bei hoher körperlicher Belastung sehr viel Blut aus dem Verdauungstrakt in den Bewegungsapparat gelangt. Dadurch bedingte Minderdurchblutung mit Überwärmung, Entzug von Wasser und Glucose sowie Sauerstoffmangel und Ansammlung von Abfallstoffen gelten als auslösende Faktoren entzündlicher Darmerkrankungen.

Spielt Fettgewebe eine Rolle bei Morbus Crohn?

Möglicherweise liefert das Fettgewebe eine Erklärung für die positiven Effekte von Bewegung. Man weiß schon länger, dass bei Morbus Crohn oftmals das weiße Fettgewebe des Darmes vergrößert ist. Fettzellen gelten als nicht zu unterschätzende Elemente des Immunsystems. In großen Mengen in das Fettgewebe einwandernde Makrophagen produzieren entzündungsfördernde Botenstoffe, Zytokine, die man als Adipozytokine bezeichnet [5].

Diese beeinflussen die Immunabwehr des Darmes. Dort tummeln sich Unmengen von Bakterien und halten das Immunsystem auf Trab. Dessen ständige Kampfbereitschaft ist typisch für die gesunde Darmschleimhaut, ohne dass dabei Krankheitssymptome auftreten.

Ein Übermaß von Darmfett beeinträchtigt dieses empfindliche Gleichgewicht. Viel Fett bedeutet viele Makrophagen, viele Makrophagen sondern viel Adipozytokine ab, die wiederum befördern die Entzündungsreaktion, die letztendlich die für Morbus Crohn typischen Geschwüre verursacht [6]. Somit ist Übergewicht, zu dem auch die Menge des weißen Fettgewebes im Darm beiträgt, als Risikofaktor für chronisch-entzündliche Darmerkrankungen anzusehen.

Körperliche Aktivität, Fettgewebe und Morbus Crohn

Körperliche Betätigung reduziert Übergewicht und das an der Entzündungsreaktion beteiligte Fettgewebe des Darmes. Zudem haben vermehrt freigesetzte Botenstoffe der Skelettmuskulatur, sogenannte Myokine, einen antientzündlichen Effekt [5].

Dazu gehört unter anderem das Interleukin-6 (IL-6), das ähnlich wie ein Hormon nicht nur lokal, sondern im gesamten Körper wirksam ist. Es stimuliert die Ausschüttung von GLP-1 und regt damit die Bauchspeicheldrüse zur Produktion von Insulin an, das den Blutzuckerspiegel senkt [6].

Auf diese Weise regeln Fettgewebe, Muskulatur und Bauchspeicheldrüse in enger Zusammenarbeit den Energiehaushalt. Das dürfte erklären, warum einige Medikamente gegen den insulinresistenten Diabetes Typ 2 einen positiven Effekt auf Morbus Crohn und Colitis ulcerosa haben [5,6]. Ebenso bessert körperliche Aktivität weitere damit verbundene Beschwerden wie schwache Muskulatur, Osteoporose, geschwächte Immunabwehr und psychische Beeinträchtigungen [7].

Zu viel Sport ist ungesund

Zu berücksichtigen ist bei sportlicher Betätigung, dass viele Morbus Crohn-Patienten in ihren Möglichkeiten stark eingeschränkt sind [3]. Bleibt man innerhalb seiner Grenzen, ist sie in jedem Falle förderlich für körperliche Gesundheit und Abbau von Stress.

Zudem muss man bedenken, dass wie bereits beschrieben ein gegenteiliger Effekt auftreten kann: Extremsportarten wie Triathlon und Marathonläufe rufen bei bis zur Hälfte der Athleten Darmkrämpfe, Sodbrennen, Blähungen, blutige Durchfälle und Stuhlinkontinenz hervor [4]. Auch wenn solche Symptome nur vorübergehend auftreten: Übertreiben darf man es mit seinen sportlichen Ambitionen auf gar keinen Fall.

Bewegung ist in mehrfacher Hinsicht gesund

Leichte körperliche Betätigung und Abbau von Übergewicht haben nicht nur auf Darmerkrankungen einen positiven Effekt, sondern auch auf alle Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Diabetes und Osteoporose [7]. Zudem steigern sie körperliches und psychisches Wohlbefinden und tragen so zur Erhöhung der Lebensqualität bei.

Davon abgesehen gibt es noch eine ganze Menge weiterer Umweltfaktoren, die Morbus Crohn und Colitis ulcerosa in negativer Weise beeinflussen. Vermeidet man diese so gut es geht, trägt man damit ebenfalls zur Besserung der Erkrankung bei. Dazu gehören ungesunde Ernährung, Luftverschmutzung, Schlafstörungen, Kontrazeptiva, Rauchen und Vitamin D-Mangel [8].

Wie geht es weiter?

Gegenstand weiterer Forschung wird sicherlich die Frage sein, welche Formen von körperlicher Aktivität für die Besserung der Lebensqualität bei Morbus Crohn und Colitis ulcerosa am besten geeignet sind. Ebenso bleibt die Frage zu klären, ob man damit auch den Ausbruch der Erkrankung verzögern oder einen Schub abkürzen kann.

Darüber hinaus eröffnet der Zusammenhang zwischen Skelettmuskulatur, Darm, Fettgewebe und Bauchspeicheldrüse neue Ansatzmöglichkeiten zur Therapie der chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen.

Quellen, Links und weiterführende Literatur3

  1. Besprochener Originalartikel:
    Taylor K, Scruggs PW, Balemba OB, Wiest MM, Vella CA.
    Associations between physical activity, resilience, and quality of life in people with inflammatory bowel disease.
    Eur J Appl Physiol. 2018 Apr;118(4):829-836. doi: 10.1007/s00421-018-3817-z. Epub 2018 Feb 6.
  1. Sonnenberg A.
    Occupational distribution of inflammatory bowel disease among German employees.
    Gut. 1990 Sep;31(9):1037-40.
  1. Narula N, Fedorak RN.
    Exercise and inflammatory bowel disease.
    Can J Gastroenterol. 2008 May;22(5):497-504. Review.
  1. Peters HP, De Vries WR, Vanberge-Henegouwen GP, Akkermans LM.
    Potential benefits and hazards of physical activity and exercise on the gastrointestinal tract.
    Gut. 2001 Mar;48(3):435-9. Review.
  1. Bilski J, Mazur-Bialy AI, Wierdak M, Brzozowski T.
    The impact of physical activity and nutrition on inflammatory bowel disease: the potential role of cross talk between adipose tissue and skeletal muscle.
    J Physiol Pharmacol. 2013 Apr;64(2):143-55. Review.
  1. Bilski J, Brzozowski B, Mazur-Bialy A, Sliwowski Z, Brzozowski T.
    The role of physical exercise in inflammatory bowel disease.
    Biomed Res Int. 2014;2014:429031. doi: 10.1155/2014/429031. Epub 2014 Apr 30. Review.
  1. Abegunde AT, Muhammad BH, Ali T.
    Preventive health measures in inflammatory bowel disease.
    World J Gastroenterol. 2016 Sep 14;22(34):7625-44. doi: 10.3748/wjg.v22.i34.7625. Review.
  1. Legaki E, Gazouli M.
    Influence of environmental factors in the development of inflammatory bowel diseases.
    World J Gastrointest Pharmacol Ther. 2016 Feb 6;7(1):112-25. doi: 10.4292/wjgpt.v7.i1.112. Review.